Paartherapie, Paarcoaching, Paarberatung – oder was???

Paartherapie, Paarcoaching, Paarberatung – oder was???

Michael Mosner
von Michael Mosner

Um es gleich zu sagen: Die Grenzen sind fliessend und schwer gegeneinander abzugrenzen.

Anna und Paul kommen zur Paarberatung. Die Beiden erzählen, dass sie sich eigentlich gut verstehen. Eigentlich. Ärger zwischen den Beiden gibt es mit der Organisation des Lebens. Anna lebt gerne spontan, sie liebt es, spontanen Einfällen zu folgen, den Urlaub kurzfristig zu buchen und statt des verabredeten Kinobesuchs am Abend vielleicht doch ins Theater zu gehen, weil sie grade in der Zeitung über das Stück eine spannende Rezension gelesen hat. Das macht Paul wahnsinnig. Er liebt es zu planen. Langfristig, vorausschauend. Er erlebt Anna als chaotisch und unberechenbar. So fühlt er sich der Spontanität von Anna oft hilflos ausgeliefert.

Eine Situation, für die man das passende Beratungsangebot wahrscheinlich eher als ‚Paarcoaching‘ bezeichnen könnte.

Warum?

Anna und Paul hat es in der Paarberatung geholfen, ein Persönlichkeitsmodell (Riemann-Thomann) erklärt zu bekommen, in dem sie sich in ihren jeweiligen Verhaltenspräferenzen als Paar wiedererkennen können. Dieses neue Verständnis hat sie beide beruhigt und sie anerkennen lasen, dass sie beide halt so unterschiedlich sind, wie sie sind.

Die gegenseitige Akzeptanz stieg in der Folge deutlich an. Der Rest war einfach: Sie entwickelten mit Coachingunterstützung neue Kommunikationsmuster und auch einige neue Regeln, wie sie entspannter mit Annas Spontanität und Pauls Bedürfnis nach vorausschauender Planung umgehen konnten.

Der Begriff ‚Paarcoaching‘ passt in diesem Fallbeispiel sicher besser als der Begriff ‚Paartherapie‘, der oft mit ‚Krankheit‘ assoziiert wird. Anna und Paul sind aber nicht psychisch krank, sondern einfach nur unterschiedlich.

Ganz anders sieht die Situation bei Werner und Angelika aus. Sie streiten permanent, und Angelika ist in diesen Streitereien für Werner unfassbar verletzend, abwertend und fast bösartig. Sie wirkt dann eiskalt und schneidend, von Respekt vor dem geliebten Menschen keine Spur. Sie macht ihn gnadenlos nieder. Schon kleinste Anlässe reichen als Trigger aus, um Angelikas geballte, vernichtende Wut loszutreten.

Angelika hat einen Vater, der ähnlich emotional unberechenbar und oft vernichtend bösartig zu ihr war. Sie erfuhr etwas in ihrer Kindheit, das man als Entwicklungstrauma bezeichnet. Sie wurde permanent vorgeführt, lächerlich gemacht und abgewertet. Der Vater hielt sowieso nichts von Frauen, er hätte gerne einen Sohn gehabt, statt dessen gab es drei Töchter. Diese Enttäuschung ließ er mit massiver psychischer Gewalt an den Töchtern aus.

Um als Kind zu überleben, gab es für Angelika nur eine Möglichkeit: Das zerstörerische Verhalten des Vaters richtig zu finden (fawn response) und zu übernehmen. Man nennt diese psychische Überlebensantwort die Bildung eines Täterintrojekts. Es sind die täterimitierenden Persönlichkeitsanteile, die Angelika vollkommen unbewusst, aber hoch zerstörerisch immer wieder aufruft. Auf einer unbewussten Ebene – um zu überleben in ihrer Kindheit! - übernahm sie das Verhalten des Vaters und verhält sich nun Werner gegenüber schon in Bezug auf kleinste Differenzen in ihrer Partnerschaft ähnlich zerstörerisch.

Hier wäre sicher der Begriff Paartherapie passend. Es wird in sorgfältiger traumasensibler paartherapeutischer Arbeit notwendig sein, einen geschützten, wohlwollenden Raum für die Beiden zu etablieren und ein Verständnis herzustellen, wie die zerstörerischen Affekte von Angelika einzuordnen sind. Es wird wichtig sein, die psychische Gewalt, die von Angelika ausgeht zu unterbrechen und auch Werner zu ermöglichen, klare Grenzen zu ziehen. Wenn das gelingt, können die Beiden – und das wird Zeit und Einsatz kosten – Schritt für Schritt in einem vermutlich längeren Beratungsprozess eine tragfähige Partnerschaft entwickeln. Hier ist sicher die Paartherapie ein passendes Angebot.

Ehrlich gesagt: Das Ergebnis dieser Paartherapie ist offen. Es kann auch sein, dass eine Trennung ansteht und Angelika sich entschließt, zunächst in einer traumasensiblen Einzeltherapie diese als traumatisch erlebte Kindheit mit ihren verheerenden Folgen aufzuarbeiten. Aber auch in diesem Fall kann eine Paartherapie eine Trennung in Würde und mit Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit als Paar ermöglichen.

Zusammengefasst:

Im Paarcoaching oder der Paarberatung geht es tendenziell eher darum …

  • Ziele zu erarbeiten und abzustimmen, die das Paar erreichen möchte
  • das gemeinsame Leben zufriedenstellender zu organisieren
  • den Partner in seiner Eigenart besser zu verstehen,
  • eine Verbesserung der Kommunikation zu erreichen
  • zu lernen, auf die Bedürfnisse des Partners besser einzugehen, ohne die eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen.

In der Paartherapie dreht es sich mehr darum …

  • einen geschützten Raum für die Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Vergangenheit auf die aktuelle Partnerschaft zu bekommen,
  • einen zuverlässigen, traumasensiblen Begleiter an der Hand zu haben, der durch die emotionalen Wirren des Paarerlebens führt,
  • jemanden zu haben, der mit Klarheit und Empathie unbestechlich Feedback gibt,
  • den oft fehlenden Respekt vor dem Partner / der Partnerin wieder aufzubauen,
  • in einen Prozess tieferer Heilung einzutreten,
  • immer wieder an die Liebe erinnert zu werden und daran, dass es sich lohnen kann zu bleiben für ein persönliches Wachstum,
  • vielleicht auch anzuerkennen, dass die Partnerwahl nicht tragfähig ist und zu erarbeiten, wie eine Trennung in Würde und Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit als Paar möglich ist.

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