Ein Paar entscheidet sich für das Paarcoaching. Das ist ein großer Schritt und oft begleitet von vielen Unsicherheiten ... Wie läuft so ein Coaching, und was macht der Coach? Schauen wir uns das gemeinsam an.
Es klingelt an der Tür. „Pünktlich, wie angenehm“, denke ich und öffne den beiden mir noch unbekannten Menschen, die ich erwarte. Durch die geöffnete Tür blicke ich auf eine nicht untypische Situation – die Frau forsch im Vordergrund, in freudiger Hoffnung auf Veränderungen? Vielleicht. Der Mann etwas zögernd in ihrem Rücken, noch halb auf dem Sprung. „Der möchte gerade woanders sein“, vermute ich und in mir entsteht ein gewisses mitfühlendes Verständnis.
Vor einigen Wochen hatte sich Claudia bei mir gemeldet und um ein Vorgespräch gebeten. Diese kostenfreien Gespräche biete ich auf meiner Webseite an, um offene Fragen und eine grundsätzliche Bereitschaft für die Zusammenarbeit zu klären. Im etwa halbstündigen (Zoom-)Gespräch fragte ich Claudia und ihren Mann Ralf nach ihren Anliegen und Zielen. Ich erzählte ein wenig über das, was im Verlauf eines Paarcoachings geschieht, geschehen darf, kann oder soll. Ganz nebenbei ist bei solchen Vorgesprächen für alle Beteiligten zu spüren, ob eine grundsätzliche Sympathie besteht. Ich bekomme einen ersten Eindruck, ob ich bei beiden eine Bereitschaft erkenne, sich zumindest auf eine erste Coachingsession einzulassen. Und das Paar wird sich entscheiden können, ob es sich auf die Reise mit mir einlassen möchte.
Dass die ‚Chemie‘ zwischen dem Paar und ihrem Coach stimmt, ist die Voraussetzung für einen gelingenden Beratungsprozess. Paarberatung ist ja nichts Distanziertes. Bei aller Professionalität – als Mensch und Paarcoach gebe ich mich voll hinein in die Dynamik, die Verletzungen, Wünsche, Sehnsüchte und Ziele eines Paares. Deshalb geht es auf jeden Fall erst einmal darum, einen sicheren Rahmen zu schaffen, in dem alles sagbar wird und sich die aufgescheuchten Nerven und verletzten Seelen etwas beruhigen können. Das braucht ein Anfangsvertrauen.
Bei Ralf und Claudia konnte ich im Vorgespräch den Eindruck gewinnen, dass beide Handlungsbedarf sehen. Beide wollen raus aus ihren ewigen Streitereien, möchten neue Wege finden. Claudia vielleicht im Moment etwas mehr als er. Es ist ganz natürlich, dass oft erst einmal eine Polarisierung entsteht in der Paardynamik: Sie zum Beispiel geht nach vorne, will Handlung und Lösung, ist offensiv; er ist skeptisch, will erst einmal sehen, was das bringen soll, zeigt sich defensiv.
Jetzt sind die beiden da. Der Anfang eines Paarcoachings ist immer herausfordernd. Wir werden behutsam einen Raum öffnen, ankommen, durchatmen.
Zu Beginn nochmal ein paar Informationen und dann sprechen wir einen Moment lang über das Thema Vertrauen und Vertraulichkeit. Und darüber, dass mein ganzes Wohlwollen und mein ganzes Interesse beiden gleichermaßen gilt. Das Stichwort ‚Allparteilichkeit‘ fällt. Ich sichere ihnen zu, dass ich bestmöglich versuchen werde, beide in ihrem Erleben zu verstehen. Und beiden den gleichen Raum zu bieten, in dem sie sich im Sprechen und Spüren zeigen können und dürfen. Meine Bitte an beide: „Falls Du, Claudia, oder Du, Ralf, das Gefühl hast, dass ich mich auf eine Seite schlage, dann sprich das bitte sofort an.“
Und dann ist Raum.
Claudia erzählt, was sie nervt. Was sie empört. Ralf will ihr recht schnell ins Wort fallen, ist aufgeregt. Ich bremse sanft, sichere ihm zu, dass seine Sicht der Dinge später Platz hat. Und ich nehme Claudia den Druck, sich kurz zu fassen und die Angst, sofort korrigiert, unterbrochen oder überfahren zu werden. Sie bekommt genügend Raum, kann alles sagen, was sie bewegt.
Es geht um Verlangsamung.
Damit es eine Chance gibt, dass überhaupt gehört wird, was gesagt werden will.
Damit sie vor allen ihren eigenen Wünschen, Werten und Sehnsüchten näher kommen, die so oft im Ping-Pong der Alltagsstreitereien nicht zutage treten.
Meine Aufgabe ist es, für ein offenes Sprechen und echtes Zuhören zu sorgen. Immer wieder auch zu beruhigen. Auch schon das eine und andere mit meinen Worten zu wiederholen und zu klären, ob es genau so gemeint ist, wie ich es wiedergebe. Vielleicht gibt es auch aus meiner ‚Brille“ eines des traumasensiblen Paarcoachings erste Kommentare, wie aktuelle Konflikte mit alten Kindheitsmustern zusammenhängen können.
Ralf ist dran. Erzählt, was ihn ärgert, ängstigt und empört. Nun ist Claudia gefordert, so gut es ihr möglich ist zu hören, was ihren Partner bewegt.
Immer wieder geht es um das Halten eines sicheren Raums, um Offenheit, Langsamkeit und Achtsamkeit. Was wird wirklich gesagt? Was höre ich? Hier hilft eine allparteiliche Haltung des Coaches sehr, den Raum für beide Partner offenzuhalten. So verhindert die Präsenz des Coaches eine weitere Eskalation von Konflikten. Eine langsame Annäherung, eine erste Öffnung zeigt sich.
Die Leitidee im Paarcoaching ist ein Rahmen, ein Klima, in dem sehr emotional besetzte Erfahrungen und Wünsche an den Partner sachlich besprechbar werden. Das ist die Voraussetzung, damit Veränderung überhaupt möglich wird, denn: Unter starken Stress, der Streit normalerweise begleitet, ist ein einfühlender Kontakt und überlegte Kommunikation nicht möglich. Instinktreaktionen übernehmen die Führung. Das Ergebnis: Immer wieder die gleichen Vorwürfe, immer wieder die gleichen Argumente, immer wieder, immer wieder.
Um aus diesem Kreislauf auszusteigen, können Claudia und Ralf mit meiner Unterstützung am Ende des ersten Termins schon einen Blick auf die Dynamik ihrer Konflikte werfen. Sie können die Themen erkennen, die wir künftig näher anschauen wollen. Ich fasse für sie zusammen, was ich gehört habe, und gebe einen ersten Hinweis darauf, welche weiteren Faktoren in Beziehungskonflikten eine Rolle spielen.
Lösungen? Die gibt es noch nicht. Aber es gibt ein erstes, neues Verstehen. Für beide. Eine Erfahrung von Verletzlichkeit, die gut tut. Und den Geschmack von Beruhigung durch das Wissen, dass jemand den Raum hält, so dass auch schmerzhafte Erlebnisse besprochen und verarbeitet werden können.
Zwei Stunden sind schnell vorbei. Claudia und Ralf haben ihren ersten Termin „geschafft“. Sie möchten wiederkommen. Mehr erfahren, mehr verstehen.
Es bleibt spannend, wie sich das Ganze weiter entwickelt ...
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